„Versorgungsangebote dürfen nicht von Zufälligkeiten bestimmt werden!“

5. EVR-Forum offenbart Unsicherheiten im Umgang mit Qualitätsindikatoren

Bochum, 23.02.17. – Unter dem Motto „Qualität im Krankenhaus – Fluch und Wirklichkeit?!“ kamen am Mittwoch, den 15.02.2017, ca. 180 Entscheidungsträger aus der Krankenhausszene, der Gesundheitspolitik sowie der Wissenschaft und Forschung zum 5. EVR-Forum zusammen. Die durchaus kontroversen Diskussionen der Tagung reichten u.a. von qualitätsorientierter Vergütung über Entlassmanagement bis hin zu Mindestmengenregelungen. Trotz des hohen Informationsgehaltes konnte der Expertenaustausch der Qualitätsoffensive den Schrecken des Fluches nicht gänzlich nehmen. Dennoch offenbarte insbesondere die Debatte zu den planungsrelevanten Qualitätsindikatoren eine andersartige gemeinsame Empfindung beinahe aller Beteiligten: große Unsicherheit.

 

Qualitätsindikatoren dienen keinem Selbstzweck
 
In seiner Eröffnungsrede verwies Gastgeber und EVR-Vorstand Heinz-Werner Bitter noch einmal auf die Dringlichkeit des Tagungsthemas: „Schon der etwas provokante Titel unserer Veranstaltung lässt erkennen, dass das Thema Qualität in der näheren Zukunft ein sehr wichtiges, wenngleich nicht ganz einfaches für uns darstellt. Umso erfreulicher ist es, dass Vertreter aller beteiligten Institutionen heute den Weg hierher gefunden haben, um in den gemeinsamen Austausch zu gehen.

Zum Auftakt legte Wilhelm Walzik, Referatsleiter Grundsatzfragen der Krankenhausversorgung, Krankenhausfinanzierung und Personal im Krankenhaus beim BMG den Fahrplan zur Umsetzung der noch ausstehenden im Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) verankerten Maßnahmen bis ins Jahr 2018 dar. Als durch das KHSG nach wie vor ungelöstes Problem nannte er die Investitionskostenfinanzierung durch die Länder.

Im Anschluss führte Dr. Christof Veit, Institutsleiter des IQTIG, vor dem Hintergrund der Patientensicherheit in die Zielsetzung und Methodik der neuen Maßnahmen zur Qualitätssicherung ein. Kritisch zeigte sich das Plenum insbesondere hinsichtlich potentieller Sanktionen bei Nichterfüllung der neuen Qualitätsindikatoren. So wurden als große Bedenken u.a. die ökonomischen Folgewirkungen der Einschränkung einzelner wirtschaftlich bedeutender Abteilungen auf eine gesamte Einrichtung genannt. Dr. Veit begegnete der Kritik mit dem Hinweis, die Qualitätsindikatoren dienten keinem Selbstzweck, sondern seien vielmehr als Mittel der Intervention in Extremfällen entwickelt worden.

Monitoring statt Messung von Qualität

Auch im weiteren Verlauf des Expertenforums standen vor allem die planungsrelevanten Qualitätsindikatoren im Fokus der Diskussionen. Eine kritische Perspektive brachte zunächst Prof. Dr. Matthias Schrappe ein. „Die Qualitätsindikatoren gehen in der jetzigen Form an den tatsächlichen Bedürfnissen von Arzt und Patient vorbei“, mahnte der u.a. im Vorstand des Deutschen Netzwerks Versorgungsforschung (DNVF) aktive Mediziner. So behandele der Großteil der Indikatoren Aspekte im akut operativen Bereich, während der wesentliche Teil der Gesundheitsversorgung nach wie vor auf dem Gebiet konservativer Behandlungsmethoden stattfinde. Darüber hinaus lasse sich Qualität, so Schrappe, nicht linear messen. Statt des Versuchs der Bestimmung von Qualität schlug er einen Einsatz von Qualitätsindikatoren als Monitoring-Instrumente vor.

 

Krankenhausplanung findet ihre Perspektive in regionalen Versorgungsstrukturen

Mit den speziellen Anforderungen im ländlichen Bereich verwies Jochen Brink später auf die Notwendigkeit zur Klärung von Mindestanforderungen. „Akzeptieren wir schlechtere Qualität, um Ortsnähe gewährleisten zu können?“, stichelte der Vorsitzende der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen e.V. (KGNW). In eine ähnliche Richtung argumentierte zuvor bereits Schrappe. So finde die qualitätsorientierte Krankenhausplanung ihre Perspektive in der regionalen Versorgung und der Qualitätssicherung regionaler Versorgungsstrukturen. Ob und wie die neuen Indikatoren diesen spezifischen Gefügen in Zukunft jedoch gerecht werden können, sei noch zu klären. Thomas Fritz, Geschäftsbereichsleiter Krankenhausmanagement der AOK NordWest, rief schließlich zu einer aufrichtigen Diskussion dahingehend auf, was regionale Versorgung bedeute und was dahingehend zumutbar und leistbar sei. So werde die Last des Zahlens immer größer, während versorgungspolitisch im regionalen Raum noch große Zufälligkeiten herrschten. Versorgungsangebote, so Fritz, dürften jedoch nicht von Zufälligkeiten bestimmt werden.

 

Versorgungslandschaft der Zukunft gemeinsam gestalten

Eine direkte Ablehnungshaltung gegenüber den neuen Qualitätsregularien war letztlich kaum zu vernehmen, wenngleich sich große Unsicherheiten im Umgang mit den Neuerungen offenbarten. Nichtsdestotrotz gestalteten sich die Diskussionen des Forums sehr ergebnisorientiert und entließen die Teilnehmenden mit konkreten Erkenntnissen für Arbeitsalltag und Branchenentwicklung. So ließ auch Heinz-Werner Bitter in seinem Abschlussplädoyer verlauten: „Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und gewillt, mit unseren Verbundstrukturen in den kommenden Jahren als Treiber bei der Gestaltung der regionalen Versorgungslandschaft zu agieren.“

Tagungsmaterial

Material zu Vorträgen und Workshops finden Sie hier.

Bildeindrücke des 5. EVR-Forums 2017

Zum Evangelischen Verbund Ruhr

Der Evangelische Verbund Ruhr (EVR) ist ein Zusammenschluss der Diakonie Ruhr und der Evangelischen Krankenhausgemeinschaft Herne | Castrop-Rauxel. Die seit Juli 2011 bestehende Holding macht die beiden Partner-Unternehmen zum größten Evangelischen Arbeitgeber in der Region. Ziel des Zusammenschlusses ist es, an jedem Standort der beiden Partner umfassende Gesundheits- und Versorgungsleistungen aus einer Hand zu entwickeln.